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Vor drei Jahren tauchte er aus irgendeinem verschimmelten Keller der Hofkanzlei auf, ein kleiner, unscheinbarer Beamter … Damals war er noch unterwürfig und recht blaß im Gesicht, manchmal sogar ein wenig graublau. Kurz darauf wurde der damalige Erste Minister plötzlich verhaftet und hingerichtet, in den Folterkammern kamen hohe Beamte ums Leben, die vor Schreck den Verstand verloren und nicht einmal wußten, worum es ging. Und buchstäblich auf ihren Leichen wuchs ein riesiger fahler Pilz: dieses hartnäckige erbarmungslose Genie der Mittelmäßigkeit.

Er ist ein Niemand, und er kommt von nirgendwoher. Das ist nicht ein brillanter Kopf im Regime eines schwachen Herrschers, wie man sie aus der Geschichte kennt, auch kein schreckeneinflößender großer Mensch, der sein ganzes Leben der Konsolidierung des Landes im Namen der Autokratie widmet. Er ist nicht einmal ein gieriger Parasit, der außer Gold und Weibern nichts anderes im Sinn hat, der in seiner Machtgier blindlings nach links und rechts zuschlägt und herrscht, um zu töten. Insgeheim erzählt man sich sogar, daß er überhaupt nicht Don Reba sei, daß Don Reba ein ganz anderer Mensch ist, jener aber, weiß Gott, vielleicht ein Werwolf, sein eigener Doppelgänger oder irgendein Wechselbalg … Was immer er auch ausklügelte, alles ging schief. Er hetzte zwei einflußreiche Fürstenhäuser des Reichs gegeneinander auf, um sie zu schwächen und seinerseits einen Frontalangriff gegen die Barone führen zu können. Aber die beiden Häuser versöhnten sich, riefen beim Klang von Sektpokalen ewige Bruderschaft aus und raubten dem König ein schönes Stück Land, das seit Menschengedenken den Königen Totz von Arkanar gehört hatte. Er erklärte Irukan den Krieg, führte selber die Armee zur Grenze, ließ sie in den Sümpfen ersaufen oder verlor sie im Wald, überließ sie schließlich ihrem Schicksal und floh zurück nach Arkanar. Dank der Bemühungen Don Hugs – von denen er natürlich nicht die leiseste Ahnung hatte – gelang es ihm, dem Herzog von Irukan einen Frieden abzuringen, allerdings um den Preis zweier befestigter Grenzstädte. Dann wieder war der König gezwungen, seine ohnehin schon halbleere Staatskasse bis auf den Boden leerzukratzen, um mit den Bauernaufständen fertig zu werden, die das ganze Land erfaßt hatten. Für solche Streiche wäre jeder andere Minister im Turm der Fröhlichkeit an den Füßen aufgehängt worden, Don Reba aber gelang es immer, irgendwie an der Macht zu bleiben. Er verfügte, die Ministerien für Bildung und Moral aufzulassen, gründete das Sicherheitsministerium – »zum Schutze der Krone«, wie es hieß –, entfernte die einheimische Aristokratie und einige Gelehrte aus den Schlüsselstellen, stieß schließlich die gesamte Volkswirtschaft völlig um, schrieb einen Traktat über das Rindviehhafte Wesen der Landwirtschaft und organisierte vor einem Jahr eine »Leibgarde«, die Grauen Rotten. Hinter Hitler hat das Kapital gestanden, dachte Rumata, hinter Don Reba aber steht niemand, und es ist klar, daß ihn die Sturmowiki eines Tages totschlagen werden wie eine Fliege. – Aber er drehte und wendete sich weiter, beging eine Dummheit nach der andern, befreite sich wieder aus dem Netz, das ihn zu erdrücken drohte, betrog sich täglich selbst und war nur von dem einen wahnwitzigen Wunsch beherrscht: Alle Kultur zu vernichten. Wie Waga Koleso hatte er keine Vergangenheit. Vor zwei Jahren noch hatte jeder aristokratische Hofparasit mit Verachtung von ihm als einem »nichtswürdigen Gauner, der den König betrügt«, gesprochen. Dafür aber konnte man jetzt jeden beliebigen Edlen befragen, und jeder würde sich als Verwandter des Sicherheitsministers mütterlicherseits bezeichnen.

Jetzt scheint er gerade Budach zu benötigen. Und schon wieder eine Ungeschicklichkeit. Wieder eine grobe Finte. Budach ist ein Bücherwurm. Ins Loch mit Budach. Mit Geschrei und Aufwand, damit es alle wissen. Aber es gibt kein Geschrei und kein Aufsehen. Also braucht er Budach lebend? Wozu? Reba wird doch nicht so dumm und einfältig sein zu hoffen, daß er Budach zwingen könnte, für ihn zu arbeiten? Vielleicht ist er aber doch so dumm? Vielleicht ist Don Reba bloß ein dummer und erfolgreicher Intrigant, der selber nicht weiß, was er will, und der vor aller Augen mit pfiffigem Gesicht den Dummen mimt? Es ist zum Lachen, drei Jahre lang beobachte ich ihn schon und bin noch immer nicht klug aus ihm geworden. Übrigens, wenn er mich beobachtete, würde es ihm genauso gehen. Aber es ist ja alles möglich, das ist das Lustige daran. Die Basistheorie konkretisiert ja nur die grundsätzlichen Aspekte der psychologischen Zielgerichtetheit; in Wirklichkeit aber gibt es von diesen Aspekten so viele, wie Menschen auf der Erde leben, und an die Macht kommen kann ein x-beliebiger! Zum Beispiel ein Kerl, der sein ganzes Leben damit zubrachte, seinen Nachbarn eins auszuwischen: Er spuckte in fremde Suppentöpfe und warf zerstoßenes Glas in fremdes Heu. Man fegt ihn natürlich vom Thron, aber er findet inzwischen Zeit genug, seine Verachtung für die ganze Menschheit deutlich zum Ausdruck zu bringen, Schaden anzurichten, wo es nur möglich ist, und hat seine Freude daran. Und es kümmert ihn auch kein bißchen, daß in der Geschichte kein Hahn nach ihm krähen wird, und es berührt ihn ebensowenig, daß seine fernen Nachkommen sich den Kopf darüber zerbrechen werden, wie sein Gehaben in der weiterentwickelten Theorie der historischen Gesetzmäßigkeiten unterzubringen sei. Da fiel Rumata plötzlich Dona Okana ein. Also entschließ dich, dachte er. Fang gleich damit an. Wenn sich ein Gott entschließt, reinen Tisch zu machen, so soll er einmal nicht darauf achten, daß er saubere Finger habe … Bei dem Gedanken, was ihm bevorstand, fühlte er Übelkeit aufsteigen. Aber das war besser als töten. Lieber Dreck als Blut. Auf Zehenspitzen, um Kyra nicht zu wecken, ging er ins Herrenzimmer und kleidete sich um. Er wendete eine Zeitlang den Reif mit dem Sender in den Händen hin und her, legte ihn dann aber entschieden in die Tischlade. Dann steckte er sich eine weiße Feder hinters rechte Ohr, das Symbol leidenschaftlicher Liebe, gürtete die beiden Schwerter um und warf sich seinen besten Mantel über. Als er unten war und das Tor entriegelte, dachte er: Wenn Don Reba davon erfährt, ist es das Ende von Dona Okana. Aber zum Umkehren war es schon zu spät.



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