7 (2)

[1] [2]

»Ich kann nicht an andre denken«, sagte sie. »Du bist halbtot zurückgekommen. Ich sehe doch: Man hat dich geschlagen. Und Uno haben sie ganz erschlagen. Wohin haben denn deine mächtigen Leute da geschaut? Warum haben sie das Morden nicht verhindert? Ich glaube dir nicht … Ich glaube nicht …«

Sie wollte sich aus seinen Armen befreien, aber er hatte sie fest umfaßt.

»Was soll man machen«, sagte er. »Diesmal sind sie ein wenig zu spät gekommen. Jetzt aber beobachten sie uns wieder und werden uns beschützen. Warum glaubst du mir heute nicht? Du hast mir doch immer geglaubt. Du hast doch selbst gesehen: Ich bin halbtot zurückgekommen, und schau mich jetzt an …!«

»Ich will dich nicht anschauen«, sagte sie und versteckte ihr Gesicht. »Ich will nicht wieder weinen.«

»Aber, aber! Diese paar Kratzer? Nicht der Rede wert …! Das Schlimmste ist schon vorbei. Zumindest für uns beide. Aber es gibt ganz hervorragende, gute Menschen, für die der Greuel noch nicht zu Ende ist. Und ich muß ihnen helfen.«

Sie seufzte tief, küßte ihn auf den Hals und befreite sich vorsichtig. »Komm heute abend«, bat sie ihn. »Kommst du?«

»Auf jeden Fall«, sagte er mit fester Stimme und lächelte. »Ich werde schon früher kommen und wahrscheinlich nicht allein. Erwarte mich zum Abendessen.«

Sie trat zur Seite, setzte sich in einen Lehnstuhl, umfaßte ein Knie mit beiden Händen und schaute Rumata zu, wie er sich anzog. Während er die Hose mit den Schellen anzog, murmelte er auf russisch vor sich hin (Muga ließ sich sogleich im Türkensitz vor ihm nieder und machte sich daran, die unzähligen Knöpfe und Spangen zu schließen), zog dann über sein sauberes Unterhemd wieder das Metalloplasthemd und sagte schließlich mit Verzweiflung in der Stimme: »So versteh mich doch, du meine Kleine, ich muß gehen! Was soll ich denn tun?! Ich kann einfach nicht hierbleiben!« Plötzlich sagte sie nachdenklich: »Manchmal verstehe ich nicht, warum du mich nicht schlägst.«

Rumata knöpfte gerade sein Rüschenhemd zu und erstarrte. »Was heißt das, warum ich dich nicht schlage?« fragte er verwirrt. »Kann man dich denn schlagen?«

»Du bist nicht nur ein guter, ein sehr guter Mensch«, fuhr sie fort, ohne ihm zuzuhören, »sondern du bist auch ein merkwürdiger Mensch, beinahe wie ein Erzengel … Wenn du bei mir bist, fühle ich mich stark. Jetzt zum Beispiel bin ich stark … Irgendwann werde ich dich einmal um etwas bitten. Wirst du mir einmal – nicht jetzt, sondern dann, wenn schon alles vorbei ist – von dir erzählen?« Rumata gab lange keine Antwort. Muga reichte ihm die orangefarbene Weste mit den roten Bändern. Rumata zog sie mit Verachtung an und schnallte den Gürtel fest.

»Ja«, sagte er schließlich. »Einmal werde ich dir alles erzählen, meine Kleine.«

»Ich werde warten«, sagte sie ernst. »Jetzt aber geh, laß dich nicht von mir ablenken.«

Rumata trat zu ihr hin und küßte sie mit seinen zerschlagenen Lippen fest auf den Mund. Dann zog er den Eisenreif von seinem Handgelenk und hielt ihn ihr hin.

»Steck dir das auf den linken Arm«, sagte er. »Heute wird wohl niemand mehr unser Haus beehren, wenn sie aber trotzdem kommen, zeigst du ihnen diesen eisernen Reif.«

Sie blickte ihm nach, und er fühlte, daß sie ihm in Gedanken etwas nachrief. – Ich weiß, sie denkt: Ich weiß nicht, vielleicht bist du der Teufel oder der Sohn Gottes oder ein Mensch aus überseeischen Märchenländern, aber wenn du nicht zurückkehrst, muß ich sterben. Er war ihr aber unendlich dankbar, daß sie schwieg, denn das Weggehen wurde ihm ohnehin ganz ungewöhnlich schwer – es war wie ein Kopfsprung von einem smaragdblauen, sonnigen Ufer in eine übelriechende Pfütze.
[1] [2]



Добавить комментарий

  • Обязательные поля обозначены *.

If you have trouble reading the code, click on the code itself to generate a new random code.