1 (1)

[1] [2] [3]

Dann schimmerten vor ihnen durch das Buschwerk die Lichter der Schenke Zum Skelett Bako. Kiuns Schritt wurde unsicher, er verstummte plötzlich. »Was ist los?« fragte Rumata.

»Dort ist eine Graue Patrouille«, antwortete Kiun halblaut. »Na und, was soll’s?« sagte Rumata. »Hör dir lieber noch folgendes an: Wir lieben und schätzen diese einfachen, groben Burschen, unser kämpferisches Graues Vieh. Wir brauchen sie. Von nun an muß das einfache Volk seine Zunge im Zaum halten, wenn es sie nicht an den Galgen hängen will!«

Er lachte, weil das ganz vorzüglich gesagt war – genau im Jargon der Grauen Kasernen.

Kiun schrumpfte zusammen und zog seinen Kopf zwischen die Schultern.

»Die Zunge des einfachen Volks muß ihren Platz wissen. Gott gab ihm die Zunge beileibe nicht zum Sprechen, sondern um damit seinem Herrn die Stiefel zu lecken, seinem Herrn, welcher über das einfache Volk von Anbeginn gesetzt …«

Auf dem Sattelplatz vor der Schenke tänzelten die gesattelten Pferde der Grauen Patrouille. Aus einem geöffneten Fenster drang das heisere Fluchen von Spielern. Man hörte das Aufschlagen der Spielknöchelchen. In der Tür stand das »Skelett Bako« höchstpersönlich und versperrte mit seinem ungeheuerlichen Bauch den Zutritt. Es steckte in einer alten Lederjacke, die an unzähligen Nähten aufgeplatzt war. Die Ärmelenden trieften vor Feuchtigkeit. In seiner moosigen Tatze hielt Bako eine Keule – offenbar hatte er eben einen Hund für die Brühe erschlagen, war dabei in Schweiß geraten und kam nun heraus, um zu verschnaufen. Auf der Treppe lümmelte ein Grauer Sturmowik, die Kampfaxt zwischen den Knien. Der klobige Stiel der Axt drückte ihm das Gesicht zur Seite. Man sah, daß er seinen Kater von einem Saufgelage ausbrütete. Als er den Reiter bemerkte, zog er kräftig Speichel hoch und brüllte mit heiserer Stimme: »Ha-a-a-lt! Was ist mit Euch da … Ihr da, Woh-oh-ohlgeboren …!«

Sein Kinn kaum merklich vorgestreckt, ritt Rumata an ihm vorbei und würdigte ihn nicht einmal eines Blickes.

»… Wenn aber die Zunge des einfachen Volkes den falschen Stiefel leckt«, sagte er laut, »so muß man diese Zunge ausreißen, denn es steht geschrieben: Deine Zunge – mein Feind …« Hinter der Kruppe des Pferdes versteckt hüpfte Kiun mit großen Sätzen neben ihm her. Ohne hinzublicken, sah Rumata, wie seine Glatze vor Schweiß glänzte. »Halt, sag ich!« röhrte der Sturmowik.

Man hörte, wie er mit der Axt scharrte, sich die Treppen herunterschleifte und dabei gleichzeitig Gott, den Teufel und jegliche hochwohlgeborene Ausgeburt verfluchte.

Etwa fünf Männer, überlegte Rumata und zupfte an seinen Manschetten. Betrunkene Schlächter. Ach was! –Sie passierten die Schenke und hielten nun auf den Wald zu. »Ich kann auch schneller gehen, wenn Ihr befehlt«, sagte Kiun mit übertrieben fester Stimme.

»Ach was!« sagte Rumata und zügelte den Hengst. »Es wäre doch langweilig, so viele Meilen zu reiten und kein einziges Mal zu raufen. Willst du dich denn nie schlagen, Kiun? Reden, immer nur reden, was?«

»Nein«, sagte Kiun. »Ich habe nie das Verlangen, mich zu schlagen.«

»Das ist eben dein Pech«, brummte Rumata ärgerlich. Er wandte den Hengst zur Seite und zog ungeduldig an seinen Handschuhen. Aus einer Wegkrümmung sprengten zwei Reiter hervor und hielten sofort an, als sie ihn erblickten.

»He, Ihr da, Wohlgeboren!« schrie der eine. »Zeigt Euren Paß!«

»Flegel!« Rumata sagte es mit gläserner Stimme. »Ihr könnt ohnehin nicht lesen, was soll euch der Paß!«

Er stieß seinem Hengst die Knie in die Seite und preschte im Galopp auf die beiden Grauen zu. Feiglinge, dachte er … Jedem ein paar Ohrfeigen!… Nein, kommt nichts dabei heraus. Da brennt man darauf, seine Wut zu entladen, die sich im Lauf eines langen Tages angesammelt hat – und, wie man sieht, kommt ja doch nichts dabei heraus. So bleiben wir halt hübsch human, verzeihen wir allen und seien wir gelassen – wie die Götter. Mögen sie getrost fortfahren mit ihrer Schlächterei und alles Wertvolle besudeln, wir werden ruhig Blut bewahren – wie die Götter. Die Götter haben es nicht eilig … Die haben die Ewigkeit vor sich … Er ritt dicht an sie heran. Ihrer selbst nicht mehr sicher, ergriffen die Grauen ihre Äxte, wichen aber zurück. »Nu-u-un?« fragte Rumata gedehnt.

»Also wie … Was ist mir denn?« sagte der Mutigere der beiden verdutzt. »Das heißt also, der edle Don Rumata?« Der zweite Sturmowik hatte schon sein Pferd gewendet und machte sich im Galopp davon. Der andere wich immer weiter zurück und ließ seine erhobene Axt wieder sinken.

»Eure gnädige Vergebung, edler Don«, sprudelte er hervor. »Wir haben Euch nicht gleich erkannt … es war unser Fehler. Eine staatliche Sache … Da kommt schon so hie und da ein Fehler vor. Die Burschen haben eine Kleinigkeit getrunken, und sie brennen vor Eifer …« Er schickte sich an, sich seitlich mit seinem Pferd zu verdrücken. »Ihr werdet doch einsehen, ernste Zeiten … Wir fangen die flüchtigen Bücherwürmer. Ihr werdet Euch doch hoffentlich nicht über uns beschweren, edler Don …«

Rumata kehrte ihm den Rücken. »Eine gute Reise dem edlen Don!« schrie ihm der Sturmowik erleichtert nach.

Als er verschwunden war, rief Rumata mit gedämpfter Stimme: »Kiun!«

Niemand antwortete. »He, Kiun!«

Und wieder antwortete niemand. Als er genauer hinhörte, konnte Rumata ein fernes Rascheln im Gebüsch vernehmen, das sich von dem ständigen Singen der Mücken abhob. Quer durchs Gelände marschierte Kiun hastig nach Westen, in Richtung der irukanischen Grenze. Das war’s also, dachte Rumata. Und wozu nun das ganze Gespräch. Es ist doch immer dasselbe. Abtasten, vorsichtiger Austausch von irgendwelchen Doppeldeutigkeiten … Ganze Wochen verschwendest du deine Energie auf dummes Gequatsche mit jedem Dreckskerl, triffst du aber mal einen wirklichen Menschen, so bleibt zum Sprechen keine Zeit. Man möchte ihm Deckung geben, ihn beschützen, ihm an einen gefahrlosen Ort verhelfen, und er geht fort, ohne zu wissen, ob er es mit einem Freund oder einem eitlen Gecken zu tun gehabt hat. Und du selber erfährst auch nichts von diesem Menschen. Seine Wünsche, seine Fähigkeiten, wofür er lebt … Er dachte an das abendliche Arkanar. Solide Häuser aus Stein an den Hauptstraßen, freundliche Laternen über den Tavernentoren, gutmütige, satte Krämer trinken ihr Bier an sauberen Tischen und unterhalten sich darüber, daß die Welt gar nicht so schlecht sei; die Brotpreise fallen, die Harnische aber werden teurer, hie und da wird eine Verschwörung aufgedeckt, Hexenmeister und verdächtige Bücherwürmer setzt man hinter Schloß und Riegel, der König ist nach alter Gewohnheit prächtig und groß, Don Reba aber ist unendlich klug und immer auf der Hut. »Was ihr nicht sagt?« – »Das gehört sich einfach so!« – »Die Welt ist rund!« – »Meinetwegen soll sie auch quadratisch sein, nur rührt mir die Gelehrten nicht an!« – »Von den Neunmalgescheiten kommt alles Unglück, Brüder! Nicht am Geld, sagt man, hängt das Glück, der Bauer, sagt man, ist auch ein Mensch, schön, aber weiter – und immer mehr und mehr von dieser aufreizenden Dichterei: Und schon gibt es Krawall, Tumult und Meuterei …« – »Ins Loch mit ihnen, sperrt sie alle ein, Brüder! Ich zum Beispiel, was würde ich tun? Ich würde geradeheraus fragen: Kannst du lesen und schreiben? Ins Loch mit dir! Gedichte schreibst du? Ins Loch! Auf Tabellen verstehst du dich? Ins Loch, du weißt viel zuviel.« – »Bina, mein Blasengel, noch drei Humpen Bier und einen gekochten Hasen!« Und unterm Fenster – grrrumm, grrrumm, grrrumm – stampfen auf dem Katzenkopfpflaster die Nagelstiefel der stämmigen, rot-schnäuzigen Burschen in grauen Hemden. Und auf der rechten Schulter schwere Beile. »Brüder! Das sind sie, unsere Beschützer! Die halten uns das gelehrte Pack vom Leib, jawohl!… Und da, der ist meiner, mein Sohn … An der rechten Flanke! Gestern noch habe ich ihm Prügel verpaßt! Ja, Brüder, das ist keine herrenlose Zeit! Festigkeit des Throns, Wohlstand, unerschütterliche Ruhe und Gerechtigkeit. Hurra, die Grauen Rotten! Hurra, Don Reba! Ein Vivat unserem König! Ach, Brüder, ist das ein Leben!« Über die dunklen Ebenen des Königreichs von Arkanar aber, beleuchtet von wütenden Bränden und glosendem Holz, flüchten Hunderte unglücklicher Menschen, umgehen die Wachen, laufen, stolpern und laufen weiter. Zerstochen von Mücken, mit blutiggeschundenen Füßen, bedeckt mit Staub und Schweiß, gequält, verängstigt und von Verzweiflung gepeinigt, aber hart wie Stahl in ihrer eigenen Überzeugung. – Ungesetzlich klagt man sie an, dafür, daß sie ihr von Seuchen verzehrtes und in Dummheit versumpftes Volk heilen und lehren; dafür, daß sie, den Göttern ähnlich, aus Ton und Stein eine zweite Natur schaffen zur Verschönerung des Lebens, für ein Volk, das die Schönheit nicht kennt; dafür, daß sie in die Geheimnisse der Natur eindringen und dabei hoffen, daß sie diese Geheimnisse dem stumpfen, durch alte Teufelskünste verängstigten Volk dienstbar machen können … Schutzlos sind sie, gut und unbeholfen, ihrer Zeit weit voraus …

Rumata zog einen Handschuh aus und versetzte damit seinem Hengst einen kräftigen Schlag zwischen die Ohren. »Na, du lahme Mähre!« sagte er auf russisch. Es war bereits Mitternacht, als er in den Wald ritt.

Heute kann niemand mehr genau sagen, woher dieser seltsame Name kommt – »Schluckaufwald«. Es war aber ein von offizieller Seite ausgegebenes Gerücht im Umlauf, wonach vor ungefähr dreihundert Jahren die Eisernen Rotten des kaiserlichen Marschalls Totz, des späteren ersten Königs von Arkanar, in das Dickicht des bewußten Waldes eingedrungen waren, als sie die zurückweichenden Horden der kupferhäutigen Barbaren verfolgten. Aus der Rinde der Weißen Bäume brauten die Krieger dort eine Art Hausbier, das aber so miserabel war, daß sein Genuß ein stundenlanges Rülpsen zur Folge hatte. Als der besagte Marschall Totz, so die Überlieferung, eines Morgens das Lager inspizierte, rümpfte er seine adlige Nase und sprach die folgenden Worte: »Wahrlich, das ist unerträglich! Der ganze Wald hat Schluckauf und stinkt nach schlechtem Bier!« Daher, so heißt es, der merkwürdige Name. Über den Wahrheitsgehalt dieser Legende läßt sich streiten, jedenfalls aber war es kein gewöhnlicher Wald. Es wuchsen dort riesige Bäume mit festen weißen Stämmen, wie sie sonst im Reich nirgends mehr erhalten waren. Auch nicht im Herzogtum Irukan und schon gar nicht in der Handelsrepublik Soan, wo man schon längst den gesamten Waldbestand für den Schiffbau abgeholzt hatte. Man erzählte sich zwar, daß es noch viele solche Wälder hinter den Roten Bergen, im Land der Barbaren, gebe, aber was erzählt man sich nicht alles vom Land der Barbaren …

Durch den Wald hatte man vor ungefähr zweihundert Jahren einen Weg geschlagen. Dieser Weg führte zu den Silbergruben und gehörte nach dem Lehensrecht dem Geschlecht der Barone von Pampa, den Nachfahren eines der Mitkämpfer von Marschall Totz. Nach diesem Lehensrecht hätten die Barone Pampa den arkanarischen Königen jährlich zwölf Pud reinen Silbers zahlen sollen, und daher sammelte jeder neue König, sobald er den Thron bestieg, eine Armee und zog damit gegen das Schloß Bau, wo die Barone hausten. Die Mauern des Schlosses waren fest, die Barone tapfer, und so kam jeder Feldzug den König auf dreißig Pud reinen Silbers zu stehen. Nach der Rückkehr ihrer zerschlagenen Armee bekräftigten die arkanarischen Könige immer wieder das Recht der Barone Pampa und noch zusätzlich andere Privilegien, wie zum Beispiel: an der königlichen Tafel in der Nase bohren, im Westen von Arkanar jagen und schließlich die Prinzen geradeheraus beim Vornamen nennen zu dürfen, ohne Hinzufügung von Rang und Titel. Der Schluckaufwald war voller dunkler Geheimnisse. Am Tag rollten auf dem Weg Fuhren mit angereichertem Erz nach dem Süden. Aber nachts war der Weg leer, denn es erdreisteten sich wenige, dort beim Sternenlicht spazierenzugehen. Man erzählte sich, daß des Nachts vom Hohen Baum der Vogel Sin schreit, den noch nie jemand sah und den man auch nicht sehen kann, weil es nämlich kein gewöhnlicher Vogel ist. Man erzählte sich, daß große zottige Spinnen von den Ästen herab und auf den Hals der Pferde springen und ihnen augenblicklich das Blut aussaugen. Man erzählte sich, daß in diesem Wald der ungeheuerliche Urzeitdrachen Pech herumstreift, der mit riesigen Schuppen bedeckt ist, alle zwölf Jahre ein Junges wirft und zwölf Schwänze hinter sich herzieht, aus denen heftiger Schweiß ausströmt. Und irgend jemand sah angeblich mit eigenen Augen, wie am hellichten Tag die vom heiligen Micky verfluchte nackte Wildsau Y sich stöhnend über den Weg schleppte – ein reißendes Untier, unverwundbar durch Eisen, aber leicht mit einem Knochen zu durchbohren.

Hier konnte man den flüchtigen Sklaven treffen, den mit den pechschwarzen Tätowierungen zwischen den Schulterblättern. Er war dumm und schonungslos wie die zottigen blutsaugenden Spinnen. Oder auch den durch drei Tode verstümmelten Zauberer, der geheimnisvolle Pilze sammelt für seine Zaubertränke, mit deren Hilfe man sich unsichtbar machen, sich in verschiedene Tiere verwandeln oder auch einen zweiten Schatten erwerben kann. Auch trieben sich dort neben dem nächtlichen Weg die Mannen des Räuberhauptmanns Waga Koleso herum. Und auch geflüchtete Zwangsarbeiter von den Silberminen mit schwarzen Händen und weißen durchscheinenden Gesichtern. Die Giftmischer versammelten sich hier zu ihren nächtlichen Sitzungen, und die frechen Jäger der Barone von Pampa brieten in den Lichtungen ihre gestohlenen Büffel über offenem Feuer – sie wurden im Ganzen auf den Drehspieß gesteckt. Dort, wo das Unterholz und das Gestrüpp am dichtesten waren, stand unter einem riesigen Baum, der vor hohem Alter ganz von Runzeln und Rissen durchfurcht war, eine windschiefe Holzhütte. Ein schwarzgewordener Palisadenzaun umgab sie. Sie stand hier schon seit undenklichen Zeiten, ihre Tür war immer verschlossen, an der angefaulten Holztreppe lehnten Götzenbilder, aus ganzen Stämmen gehauen. Diese Hütte nun war die aller-, allergefährlichste Stelle im ganzen Schluckaufwald. Man erzählte sich, daß genau hierher einmal in zwölf Jahren der alte Pech komme, um seinen Nachfolger zu gebären, und dann, so sagt man, kriecht er unter ebendiese Hütte, um zu krepieren, so daß das ganze Fundament der Hütte mit schwarzem Gift verpestet ist. Wenn aber das Gift einmal nach außen dringt, dann wird das das Ende aller Dinge sein. Man erzählt sich auch, daß in unreinen Nächten die Götzenbilder sich selbst aus der Erde graben, zum Weg hingehen und dort geheimnisvolle Zeichen geben. Und dann erzählt man sich noch, daß zu Zeiten in den toten Fenstern ein höllisches Licht aufleuchtet, dumpfe Laute aus der Hütte ertönen und der Rauch aus dem Schornstein bis zum Himmel aufsteigt.

Unlängst kam an einem Abend der Dorftrottel Kukisch aus dem Flecken »Wohlgestank« (oder im Volksmund auch »Pestflecken« genannt) in seiner Blödheit zufällig zu der Hütte und stierte in ein Fenster. Nach Hause kam er dann vollständig verblödet, und nachdem er doch ein wenig zu sich gekommen war, erzählte er, in der Hütte sei grelles Licht gewesen und an einem Tisch aus rohem Holz habe ein Mann mit den Füßen auf der Bank gesessen und aus einem Faß getrunken, das er mit einer Hand hochgehalten habe. Sein Gesicht hing ihm beinahe bis zum Gürtel herab und war voller Pockennarben. Und das war natürlich der heilige Micky höchstpersönlich, und zwar vor seiner Bekehrung: Ein Weiberheld, Säufer und Gotteslästerer. Ihn anzusehen war nur möglich, wenn man ohne alle Furcht war. Aus dem Fenster sei ein süßer, schwermütiger Geruch gedrungen und über die Bäume ringsum seien Schatten gehuscht. Um der Geschichte des Blöden zu lauschen, kamen die Leute aus der ganzen Umgebung herbei. Die Sache endete schließlich damit, daß die Grauen Sturmowiki erschienen, ihm die Ellbogen bis zur Schulter verdrehten und ihn zum Teufel jagten. Trotzdem wollten natürlich die Gerüchte über die düstere Hütte nicht verstummen, und man nannte sie künftig nicht anders als das »Besoffene Bärenquartier«.

Als er sich durch die Wucherungen eines gigantischen Farnkrauts den Weg gebahnt hatte, eilte Rumata zum Eingang des Besoffenen Bärenquartiers. Sein Pferd band er an eines der Götzenbilder. In der Hütte brannte Licht, die Tür stand offen; sie hing nur in einer Angel. Vater Kabani saß ganz aufgelöst am Tisch. Im Zimmer roch es durchdringend nach Schnaps, auf dem Tisch thronte zwischen abgenagten Knochen und gekochten roten Rüben ein riesiger Tonkrug.

»Guten Abend, Vater Kabani«, sagte Rumata, als er über die Schwelle schritt.

»Ich heiße Euch willkommen«, erwiderte Vater Kabani mit heiserer Stimme, die wie ein Hifthorn klang.

Rumata näherte sich sporenklirrend dem Tisch, ließ seine Handschuhe auf die Bank fallen und warf einen zweiten Blick auf Vater Kabani. Der saß unbeweglich da und stützte sein Hängegesicht mit den Handflächen. Seine zottigen, halbergrauten Brauen hingen ihm bis über die Wangen wie verdorrtes Gras über einer Schlucht. Aus den Nüstern seiner grobporigen Nase flog bei jedem Ausatmen mit Gepfeife eine Portion Luft, durchtränkt von halbverdautem Alkohol.

»Ich hab es selber erfunden!« sagte er plötzlich unvermutet. Mit großer Anstrengung zog er seine rechte Braue in die Höhe und richtete ein trübes Auge auf Rumata. »Ich selbst! Und wozu?« Er zog seine rechte Hand unter den Hängebacken hervor und fuhr mit einem behaarten Finger ziellos hin und her. »Und trotzdem tauge ich nichts!… Ich habe es erfunden … Und doch tauge ich nichts, wie?! Ja, ja, ein Versager … Und überhaupt erfindet keiner von uns etwas, keiner kommt im Grund selber auf was drauf, sondern … Weiß-der-Teufel-was …!«

Rumata schnallte seinen Gürtel auf und legte den Fes und die Schwerter ab.

»Na, ist schon gut«, sagte er.

»Die Kiste!« krächzte Vater Kabani laut. Dann schwieg er lange Zeit und vollführte seltsame Bewegungen mit seinen Backen. Ohne seinen Blick von dem Alten zu wenden, hob Rumata seine Füße, die in staubigen Reitstiefeln steckten, über die Bank und ließ sich nieder. Seine beiden Schwerter legte er nebeneinander auf den Tisch.
[1] [2] [3]



Добавить комментарий

  • Обязательные поля обозначены *.

If you have trouble reading the code, click on the code itself to generate a new random code.